Jour de faîte (6c+) am Kronthal (Vogesen): Wie ich nach Jahren das Crux-Rätsel endlich löste

Mein Projekt auf Jour de faîte (6c+): Nach Jahren endlich der Durchstieg! 

Wenn es um gut erreichbare Klettergebiete für Fortgeschrittene in der Nähe von Straßburg geht, fällt schnell ein Name: Kronthal. Der Fels ist bequem mit dem Bus erreichbar und bietet eine Vielzahl an Routen im oberen sechsten bis neunten Schwierigkeitsgrad. Für alle Straßburger Kletter*innen ist Kronthal ein absoluter Klassiker. Und für mich persönlich ist Jour de faîte (6c+) dort zu einer ganz besonderen Route geworden. 


Mein erstes Mal in Kronthal – und die erste Begegnung mit Jour de faîte (6c+)

Ich traf zum ersten Mal auf diese Route kurz nach meiner Ankunft in Frankreich. Damals hatte ich gerade angefangen, regelmäßig in einer Kletterhalle zu trainieren und langsam ein paar Leute kennengelernt. Eines Tages sprach mich ein amerikanischer Kletterer (T) in der Halle an. Er war nur für einen Monat in Straßburg und schlug vor, bei gutem Wetter raus an den Fels zu gehen. 


Nach mehreren Regentagen kam endlich ein sonniges Wochenende – unsere Chance! Für mich war es der erste Ausflug nach Kronthal überhaupt. Ohne Auto fuhren wir mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Ich erinnere mich noch genau an das Gefühl, als wir aus dem Bus stiegen: die trockene Sommerluft, die warme Sonne, die Aufregung – alles ist mir bis heute lebendig in Erinnerung geblieben.

Kronthal : Jour de faîte (6c+)


Jour de faîte (6c+) – die richtige Linie zu finden war der Schlüssel 

An diesem Tag kletterten wir mehrere Routen: 

Marrons glacés (6b+) – im Vorstieg, Top-Out 

Les malheurs de Sophie (6b+) – Flash 

Sévices sans fin (7a) – Toprope 

Jour de faîte (6c+) – im Vorstieg, ??

Vor allem Jour de faîte ließ mich nicht mehr los – sie wurde zu meinem Langzeitprojekt, das mich über Jahre hinweg begleitete. Anfangs dachte ich, die Route verlaufe nach dem sechsten Haken (grün) links an der Risslinie (gelb) entlang. Diese Passage erschien mir jedoch zu leicht für 6c+. Später stellte sich heraus: Die originale Linie (orange) verläuft deutlich direkter nach oben – und ist entsprechend anspruchsvoller.


Der Schlüsselteil (Crux) beginnt nach dem 6. Haken: 

Rechte Hand an einen guten Griff, 

linkes Bein so hoch wie möglich stellen, 

ein weiter Zweifingergriff halten, 

den Körper heranziehen, 

und dann ein dynamischer Zug mit rechts auf einen hohen Griff! 

Ich kannte die Bewegungsabfolge, aber das Halten des Zweifingergriffs war brutal schwer… Ich stürzte unzählige Male genau an dieser Stelle.

Kronthal : L’art d’accommoder les restes (6c)


Eine Pause – und ein "Seitensprung": L’art d’accommoder les restes (6c) 

Im Jahr 2024 legte ich Jour de faîte vorerst auf Eis – ich kam einfach nicht weiter. Stattdessen probierte ich etwas Neues aus: L’art d’accommoder les restes (6c) – eine eher unbekannte Route, die kaum jemand versucht. Die Crux ist eine knifflige Querung am Ende: mit Heel-Hook und feinem Side-Pull balanciert man sich durch – fast schon boulderartig und wirklich spaßig! Nach 13 Versuchen gelang mir schließlich der Durchstieg – ein echtes Erfolgserlebnis, das mir neues Selbstvertrauen gab. 


Der entscheidende Durchbruch auf Jour de faîte (6c+)

Mit frischer Motivation kehrte ich zu Jour de faîte zurück. Beim ersten Versuch des Tages stürzte ich – wieder in der Crux. Also nahm ich mir die Zeit, mein Bewegungsmuster nochmal ganz genau zu überdenken. 


Ich veränderte leicht meine Hüftposition und setzte den rechten Fuß auf die Außenseite einer kleinen Kante unter dem Mini-Dach – und plötzlich war der weite Griff, der zuvor nur mit einem Sprung erreichbar schien, statisch zu halten! Ich war überrascht: „Warum habe ich es all die Male mit einem Dyno versucht…?!“ 


Beim zweiten Versuch (mein insgesamt 20.) gelang mir schließlich der Durchstieg! Jahre des Frusts waren in diesem Moment wie weggeblasen. Ich wurde einmal mehr daran erinnert: Klettern ist letztlich reine Bewegungsanalyse (…auch wenn ich mir das bei jedem Projekt aufs Neue sagen muss 😅)


Zwei Routentipps für alle, die in Kronthal im Bereich 6c/6c+ unterwegs sind: 

Hast du Le marquis de sable (6c) schon durch? Dann probier unbedingt auch diese beiden: 

Jour de faîte (6c+): Eine spannende Linie mit kniffliger Lesart und komplexer Crux. Fingerkraft und Technik gefragt! 

L’art d’accommoder les restes (6c): Kaum frequentiert, ideal zum Ausprobieren. Die Querung am Ende macht richtig Laune!

0コメント

  • 1000 / 1000